Ein Knotenpunkt für Archiv, Geschichte & Netzwerk. Ein Jahr History Hub in Mannheim
08. Mai 2025. Vor einem Jahr haben wir in Mannheim unseren Neubau bezogen. Nach mehreren Stationen in gemieteten Büroräumen in den Mannheimer Quadraten wagten die Eigentümer der Geschichtsagentur H&C Stader den Schritt auf die grüne Wiese und ließen in dem neu erschlossenen Gewerbepark auf Taylor (ehemaliges US-amerikanisches Militärgelände) einen besonderen Neubau errichten: den History Hub.
Wodurch sich der History Hub auszeichnet und wie er als „Boost“ für Unternehmenshistoriker, Archivare und Kommunikatoren wirkt, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Herzstück des History Hub: Ein Magazin für Unternehmenshistorie
Das Herzstück des History Hub ist das Magazin. Es umfasst rund 400 m² und bietet Raum für 3,5 Regal-Kilometer Akten, das entspricht ungefähr 32.000 Leitz-Ordnern. Es steht unseren Kunden für die dauerhafte, sichere und platzsparende Aufbewahrung ihrer historischen Unikate zur Verfügung. Darüber hinaus bietet das Magazin Raum für die sichere Zwischenlagerung zu bearbeitender Archivbestände sowie für ausgewählte Objekte wie z. B. gerahmte Bilder, Produkte und Büromaschinen. Ausgestattet ist das Magazin mit einer modernen Rollregalanlage, einer eigenen Lüftungsanlage, Vollklimatisierung (18 Grad), einem eigenen Brandschutzkonzept und einem alarmgesicherten Zugangssystem.
"Mit diesem Magazin erfüllen wir die hohen Standards (ISO 11799), die an öffentliche Archive gestellt werden. Es geht hier immerhin um das historische Erbe unserer Kunden, das sind zwar oftmals keine großen materiellen Werte dafür aber sehr hohe ideelle Werte. Hier lagert die DNA eines traditionsreichen Familienunternehmens", erklärt Matthias Schlösser, Historiker und Prokurist der Archiv-Sparte von H&C Stader.
Wissen sichern
Der History Hub bietet Lösungen für ein verbreitetes Problem: Häufig fehlt es in Unternehmen an idealen Archivräumen. Die historisch relevanten Unterlagen lagern aus Platzgründen oftmals gemeinsam mit weiteren Dokumenten aus dem Tagesgeschäft in Kellern oder auf Dachböden. Ressourcen für einen eigenen Archivraum fehlen und die Einrichtung eines eigenen Magazins ist wirtschaftlich nicht lohnend. Warum aber sollte jedes Unternehmen seine Geschichte kennen und warum die Deutung der eigenen Historie so wichtig ist, erklärt der History Hub-Visionär Dr. Ingo Stader, Gründer und CEO der H&C Stader GmbH so: „Ohne Kenntnis der historischen Unterlagen, der Quellen ist eine Deutung der eigenen Geschichte schwierig. Ein professionell erschlossenes Archiv sichert dieses Wissen. Dabei muss das Archiv nicht zwingend im Unternehmen sein. Entscheidend ist, dass der Eigentümer, das Unternehmen jederzeit darauf zugreifen kann und volle Transparenz der Inhalte erhält.“
Aktuell lagert H&C Stader dauerhaft u.a. für mehrere namhafte Familienunternehmen historische Bestände ein, die das Archiv-Team von H&C Stader zuvor erschlossen und zukunftssicher bestandserhaltend bearbeitet hat. Die am Magazin angrenzenden Büroflächen sind mit Digitalisierungsgeräten für Fotomaterial und Bewegtbild (u. a. Filmrollen, VHS und BetaCam) ausgestattet. Vor kurzem konnten die Archivbestände von E.G.O. und BLANCO aus dem History Hub erschlossen und sicher verpackt an die Unternehmen der Blanc & Fischer Unternehmensgruppe zurück geliefert werden.
Die Archiv Services von H&C Stader
Vom History Hub aus betreut und unterstützt H&C Stader seit Jahren mehrere Unternehmensarchive wie BASF und Hapag-Lloyd und berät mittelständische Familienunternehmen beim Aufbau eines eigenen Unternehmensarchivs. Neben der Steuerung der Betriebsstätten in Hamburg und Berlin, erfolgen von hier aus auch Kontakt und Abstimmung mit dem Partnerunternehmen archivalism GmbH, vertreten durch den geschäftsführenden Gesellschafter Raphael Hartisch. Die archivalism GmbH hat sich u. a. auf die Themen Überlieferungsbildung (Bewertung und Übernahme), die technische Bearbeitung historischer Akten und die serielle Erschließung großer Aktenbestände für die öffentliche Hand spezialisiert. Zusätzlich werden in kleinerem Rahmen auch die Digitalisierung, Trockenreinigung und Schulungen für archivisches Personal angeboten.
Zusätzlich zu den Kundenprojekten engagiert sich H&C Stader auch in verschiedenen Fachverbänden, bspw. beim NARN e. V. und der VdW. Ersterer ist ein regionaler Notfallverbund von Archiven mit dem Ziel, sich über Vorbeugemaßnahmen auszutauschen und aktiv an Notfallübungen teilzunehmen, um Kulturgut bei einer Havarie bestmöglich zu schützen. Matthias Schlösser: "Es handelt sich um Unikate, unersetzbare Dokumente, die gar nicht hoch genug geschützt und gesichert werden können. Da ist keine Mühe zu viel."
Die VdW, Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare, bietet als Interessenverband Austausch mit Fachexperten der Branche. Hier bringt sich das Archiv-Team in Arbeitsgruppen und Tagungen ein. Im April tagte erstmals der VdW-Arbeitskreis Elektronische Medien im History Hub.
Der History Hub – Ort für Netzwerk- und Expertentreffen
Neben der physischen Archivarbeit, die im History Hub geleistet wird, dient unser Neubau auch als Ort für Netzwerk- und Expertentreffen zu Themen rund um Archiv, Unternehmensgeschichte und Fragen der modernen Vermittlung und Kommunikation von Geschichte. Der History Hub verbindet architektonisch anspruchsvoll einen modernen Magazinbau im Erdgeschoss mit großzügigen flex- und smart-Office Flächen in Holzbauweise im Obergeschoss. Damit werden die Agentursparten History Communication und Archive Services unter einem Dach vereint. Das Gebäude ist in seiner Art einmalig und steht für das Selbstverständnis, das Gründer Dr. Ingo Stader mit seiner Mission „Mit Geschichte Mehrwert schaffen“ für den Umgang mit Unternehmensgeschichte geschaffen hat.
Die Pressemitteilung zum Jahrestag des History Hub finden Sie hier.
Archivexperten im Gespräch
Was können wir mit unseren Archive Services Unternehmen bieten?
Bartenstein: Laien gehen oft davon aus, dass Archiv bedeutet, dass man historisches Material in einen Raum packt und dort liegen lässt. In Wirklichkeit ist es viel, viel komplexer, denn es geht ja um Bestandserhaltung, Überlieferungsbildung, Erschließung und vieles mehr. Allein die Aufbewahrung ist nicht so einfach, weil die Raumbeschaffenheit eine wichtige Rolle spielt und Notfallmaßnahmen zu berücksichtigen sind. Und das alles betrifft nur den analogen Bereich. Beim digitalen Bereich geht es beispielsweise um die digitale Langzeitarchivierung, also wie man auf Dauer digitale Daten sichern und vorhalten kann. Archive sind einfach sehr kompliziert und deshalb ist es gut, wenn man für den Archivaufbau und die Betreuung auf Spezialisten zurückgreifen kann.
Hartisch: Als Dienstleister haben wir gegenüber festangestellten Archivaren und Archivarinnen in einem Unternehmen den Vorteil, dass wir sehr diversifizierte Erfahrungen haben. Unsere Kunden stammen aus allen möglichen Branchen mit Archivbeständen in verschiedenen Zuständen. So sammeln wir unterschiedlichste Erfahrungen und erarbeiten uns ein umfassendes Expertentum, das wiederum unseren Kunden zugutekommt.
Bartenstein: Mittelständische Unternehmen können sich im Gegensatz zu Konzernen oft keine ausgebildete Fachkraft für ihren Archivbestand leisten oder haben gar nicht genügend Platz für ihr Archivgut. Da kommen wir ins Spiel, weil wir als externer Dienstleister beraten und personell unterstützen können. Darüber hinaus haben wir dank unseres Magazins auch eine Lösung für deren Raumproblem.
Raphael, du betreust öffentliche Einrichtungen als Kunden und du Sarah hast lange in öffentlichen Archiven gearbeitet. In welchen Punkten könnten sich eurer Meinung nach öffentliche und Unternehmensarchive gegenseitig befruchten?
Hartisch: Wenn Unternehmen sich für ein Archiv entscheiden, ist das eine bewusste Entscheidung dafür und dann sind sie auch bereit, in der Regel, das wirklich sehr, sehr ordentlich und professionell anzugehen und auch zu investieren, was nötig ist. Diese Herangehensweise fehlt mir in manchen Fällen bei öffentlichen Archiven, die von ihren Kommunen oder Ländern wie ein ungeliebtes Stiefkind behandelt werden. Dabei sollte die Pflichtaufgabe eigentlich keine Belastung, sondern eine Bereicherung sein.
Bartenstein: Was mir bei den Unternehmensarchiven fehlt, ist eine Art Archivgesetz mit Abgabepflicht, wie ich es aus dem öffentlichen Bereich kenne. Denn, wenn es im Unternehmen hart auf hart kommt, kann das Archiv komplett eingestellt werden bzw. der Archivbestand kann vernichtet werden. Ich sehe hier eine große Gefahr für unsere Wirtschaftsgeschichte. An den Unternehmensarchiven schätze ich wiederum den Pragmatismus mit den Mitteln zu arbeiten, die man hat, bevor Dinge liegen bleiben.
Was ist euer Hauptantrieb für eure Archivtätigkeit?
Hartisch: Die Geschichte zu erhalten, finde ich wichtig und das ist das, was wir machen können. Das ist der große Vorteil unseres Jobs. Wir wirken aktiv daran mit, Geschichte zu sichern, begreifbar zu machen, überhaupt erlebbar zu machen.
Bartenstein: Wir sorgen dafür, dass sie erhalten bleibt. Viel mehr Verantwortung kann man einem Menschen eigentlich gar nicht geben, als dafür zu sorgen, dass die Geschichte eines Landes, einer Region eines Unternehmens erhalten bleibt und auch für weitere Generationen verfügbar ist.
Dr. Sarah Bartenstein und Raphael Hartisch werden am 22. Mai am Südwestendeutschen Archivtag in Weinheim teilnehmen.
Nähere Informationen zu der Veranstaltung finden Sie hier.