Den Kinderschuhen entwachsen. Corporate History Communication auf Expansionskurs

Den Kinderschuhen entwachsen. Corporate History Communication auf Expansionskurs

Auf dem Gebiet der History Communication hat sich in den letzten Jahren viel getan. Nicht nur, dass sie sich in vielen mittelständischen und großen Unternehmen als fester Bestandteil der Unternehmenskommunikation etabliert hat, ist sie auch im Verbandswesen auf dem Vormarsch.

Vor etwas mehr als vier Jahren riefen Dr. Ingo Stader, CEO und Gründer von H &C Stader und Matthias Koch, , zertifizierter PR-Berater (DAPR), Public Affairs sowie Corporate History Communication Consultant, das bundesweite Netzwerk Corporate History Communication – kurz CHC-Netzwerk- ins Leben, wo sich Professionals aus Geschichtsagenturen, Unternehmensarchiven, Kommunikationsabteilungen, der Kommunikationsberatung und der Kommunikationswissenschaft regelmäßig zu verschiedenen Aspekten von History Communication online austauschen konnten.

Ein Jahr nach der CHC-Netzwerkgründung – im Herbst 2021 – riefen Prof. em. Dr. Günter Bentele und Prof. Dr. Felix Krebber das Center for History & Corporate Communication mit einer Gründungstagung ins Leben, um die wissenschaftliche Forschung zu PR-Geschichte und Corporate History Communication in einen institutionellen Rahmen zu stellen und voranzutreiben.

Gemeinsam mit dem Center wurden Roundtable-Workshops zu Wertschöpfung und Qualitätsstandards von CHC sowie eine Konferenz zu historischer Verantwortung von Unternehmen organisiert.

 

Zu diesen Entwicklungen habe ich ein Expertengespräch geführt mit den Netzwerk-Gründern und Betreibern sowie Prof. Dr. Felix Krebber, Mitgründer und wissenschaftlicher Direktor vom Center for History and Corporate Communication.

v. l.: Dr. Ingo Stader, Matthias Koch, Prof. Dr. Felix Krebber

 

 Mit welchem Ziel wurde das CHC -Netzwerk im Sommer 2020 gegründet?

Matthias Koch: Wir wollten das Geschichtsbewusstsein insgesamt in der etwas geschichtsvergessenen Kommunikations-Branche stärken und über den Tellerrand der historischen und der Kommunikationsarbeit hinausschauen. Und dafür fehlte uns eine Plattform, wo wir uns regelmäßig austauschen konnten.

 

In welcher Form fand der Austausch im Corporate History Communication-Netzwerk statt?

Ingo Stader: Zuerst war geplant, dass wir uns physisch bei einem CHC-Stammtisch treffen. Dann kam Corona und wir mussten umdisponieren. Wir wollten unbedingt so eine Plattform gründen und haben diese kurzerhand erst mal digital ins Leben gerufen. Dieses digitale Format hat sich bewährt. Alle acht Wochen nehmen aus ganz Deutschland und sogar aus Österreich und der Schweiz Firmenhistoriker und Firmenhistorikerinnen, Archivare und Archivarinnen von Unternehmen, sowie Vertreter und Vertreterinnen von Agenturen und aus der Kommunikationsbe-ratung und der Kommunikationswissenschaft an unseren online Treffen teil. So wurde aus dem CHC-Stammtisch das Corporate History Communication-Netzwerk.

 

Worum geht es inhaltlich bei diesen Treffen?

Matthias Koch: Es geht um einen gegenseitigen Schulterblick. Es werden Heran-gehensweisen und Umsetzungsbeispiele von Firmenjubiläen vorgestellt und diskutiert oder die Arbeit eines Unternehemensarchivs vorgestellt, das laufende Geschichtskommunikation betreibt. Die daran anschließende Fragerunde ermöglicht einen tiefgehenden Austausch mit wertvollen Learnings.

 

Ein Jahr nachdem das Netzwerk seine Tätigkeit aufgenommen hat, wurde das Center for History and Corporate Communication gegründet. Was waren die Motivationen das Center zu gründen?

Felix Krebber: An der Universität in Leipzig gibt es schon lange historische Berufsfeldforschung im Bereich PR, initiiert von Günter Bentele. In dem Kontext ist aufgefallen, dass es im Praxisfeld der Kommunikation auch Menschen gibt, die professionell Geschichte kommunizieren, die nicht selten auch an Kommuni-kationsabteilungen angebunden sind und somit auch ein Teil des Handlungsfeldes der Unternehmenskommunikation sind. Die Leipziger Kollegen haben mich eingeladen, an diesem Thema mitzuarbeiten und beide Stränge, die historische PR -Forschung und die Erforschung von Geschichte als Thema der Unternehmens-kommunikation, unter einem neuen organisatorischen Dach zu bündeln, nämlich im Center for History and Corporate Communication.

 

Was habt ihr im Center bisher zu Corporate History Communication herausgefunden?

Felix Krebber: Auf Basis von Interviews haben wir das Handlungsfeld erstmal definiert, nämlich als ein Querschnittsthema in der Unternehmenskommunika-tion, das nicht nur auf die Marketingkommunikation beschränkt ist. Wir haben eine ganze Reihe an Forschungsprojekten unternommen, wo wir das Berufsfeld derjenigen untersucht haben, die in Unternehmen und Agenturen Geschichts-kommunikation betreiben.

 

In welchen Bereichen der Unternehmenskommunikation spielt History Communication eine Rolle?

Felix Krebber: Wir finden History Communication in allen drei Teilbereichen der Unternehmenskommunikation. In der Marketingkommunikation, um Unternehmens- und Produktmarken historisch aufzuladen, zu differenzieren; in der internen Kommunikation, um die Identität der Mitarbeitenden zu stärken und sie zu motivieren und drittens in der  gesellschaftsorientierten Kommunikation, wo es u. a. um den verantwortungsvollen Umgang mit der Unternehmensgeschich-te geht, bspw. der NS-Zeit.

 

Gibt es da eine Erwartungshaltung von Seiten der Gesellschaft?

Felix Krebber: Ja. Mittels einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung konnten wir zeigen, dass über zwei Drittel der Menschen erwarten, dass sich Unternehmen zum einen kritisch mit diesen Themen auseinandersetzen, aber auch darüber transparent offen kommunizieren.

 

 Seit mehr als zwei Jahren besteht jetzt eine Zusammenarbeit zwischen dem Center und dem Netzwerk. Inwiefern ist diese für beide Seiten befruchtend?

Matthias Koch: Es war eine glückliche Fügung, dass wir fast gleichzeitig gegründet haben. Mit der Forschung des Centers erhalten wir wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Mehrwert des Handlungsfeldes der Corporate History Communication, aber auch was den Blick der Öffentlichkeit auf unsere Tätigkeit betrifft. All das kombiniert mit unseren Erfahrungswerten aus der Praxis hilft uns, das Berufsfeld der CHC-Professionals genauer abzustecken.

Felix Krebber: Unsere Zusammenarbeit mit dem CHC-Netzwerk ist für uns ebenso ein Glücksfall, weil wir dadurch in den Austausch mit Praktikerinnen und Praktikern kommen, die in ihrer täglichen Arbeit Geschichtskommunikation betreiben – sei es im Unternehmen selbst oder als externer Dienstleister.

 

 Was waren denn bisher gemeinsame Aktivitäten?

Ingo Stader: Den Auftakt haben wir 2022 mit einer sehr erfolgreichen HistoryComms Konferenz zum Thema historische Verantwortung in Unternehmen gemacht. Im März letzten Jahres haben wir dann einen ersten Roundtable -Workshop durchgeführt und uns über den Wertschöpfungsbeitrag von Geschichtskommunikation ausgetauscht. Im November letztes Jahr haben wir dann noch einen zweiten Roundtable -Workshop zu Qualitätsstandards der History Communication abgehalten, der ebenso wie der erste sehr produktiv war.

 

Welche Ergebnisse haben die Workshops gebracht?

Felix Krebber: Ergebnis des ersten Workshops zum Wertschöpfungsbeitrag der Geschichtskommunikation war das “Zielehaus Geschichtskommunikation”, das einen Zusammenhang zu Kommunikationszielen darstellt. Ein Kernergebnis des Workshops zu Qualität war, dass für das Feld der strategischen Geschichtskommunikation erstens maßgeblich ist, was Qualität in der Geschichtswissenschaft bedeutet, da insbesondere zuvorderst die Historizität. Also, dass die Dinge, die man kommuniziert, stimmen und methodisch sauber hergeleitet sein müssen. In dem Feld der strategischen Geschichtskommunikation überlagern sich eben mindestens zwei Berufsfelder. Einerseits das der Historiker:innen und Historiker, auch die Archivarinenn und Archivare lassen sich hier hinzuzählen und andererseits das der Kommunikation. Deshalb gelten sowohl die Regeln der Geschichtswissenschaft, des Archivwesens und natürlich zweitens auch immer die Regeln professioneller Praxis im Kommunikationsberufsfeld.

 

Was bedeuten diese Ergebnisse für die History Communication Branche?

Matthias Koch: Das ist eine riesige Chance für unsere junge Branche. Die Professionalisierung des Berufsfeldes bedeutet praktisch, dass History Communication fester Bestandteil der Kommunikation wird und eine Kachel im Bereich der strategischen Unternehmenskommunikation. Aber eben nicht mit pensionierten ehemaligen Mitarbeitenden, sondern mit akademisch ausgebildeten Historikern, die Schätze aus dem Archiv professionell heben und kontextualisieren können und dies in enger Zusammenarbeit mit der Unternehmenskommunikation machen.

 

Erfährt das Handlungsfeld History Communication auch außerhalb der Treffen und Workshops eine gewisse Aufmerksamkeit?

Ingo Stader: Es zeigt sich, dass das Thema eine erheblich größere Visibilität hat als früher. Demnächst erscheint beispielsweise eine PR -Werkstatt, die Corporate History Communication sowohl auf der theoretischen als auch auf der praktischen Seite darzustellen versucht. Auf dem Kommunikationskongress in Berlin stellen wir seit 2016 in Expert Sessions die verschiedenen Aspekte von History Communication vor und nehmen von Jahr zu Jahr ein wachsendes Interesse wahr.

 

Stichwort größere Visibilität. Ingo und Matthias, ihr als Gründer des CHC-Netzwerks habt euch entschieden, das lose Netzwerk zukunftsfest zu machen und es in einen Verband zu überführen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Matthias Koch: Nach spätestens zwei Jahren haben wir gesehen, wie gut unser Netzwerk angenommen wird und wieviel Austauschbedarf es gibt. Das hat uns zu der Überlegung geführt, dass wir diesen erfolgreichen Treffen einen festeren Rahmen geben und größeren Zulauf ermöglichen wollen, einfach mehr Sichtbarkeit in der Kommunikationswelt. Wir haben uns dann intensiv ausgetauscht und uns auch mit Felix Krebber und Günter Bentele vom Steering Committee beraten. Schnell war klar, dass wir keinen eigenen Verband gründen wollen, sondern uns lieber einem anschließen wollen, bei dem wir uns mit unserem Thema am besten aufgehoben fühlen.

 

Für welchen Verband habt ihr euch entschieden?

Matthias Koch: Da Ingo und ich schon lange Mitglieder in der DPRG sind und die DPRG der älteste Berufsverband in der Kommunikationsbranche ist, haben wir da als erstes angefragt.

Ingo Stader: Wir stießen da sofort auf offene Ohren und ein großes Interesse, das selbst uns überrascht hat. Um das zu veranschaulichen: Der DPRG-Bundesvorstand hat der Gründung eines Arbeitskreises History Communication unmittelbar zugestimmt.

 

Was bedeutet das jetzt konkret?

Ingo Stader: Im Grunde ist es wie bei „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix“. Also aus dem Corporate History Communication-Netzwerk wird der DPRG-Arbeitskreis History Communication. Wir bleiben aber unverändert in starker Verbindung mit der Geschichtswissenschaft und fühlen uns auch der Public History ungebrochen verbunden.

 

Hat die Veränderung der Organisationsform irgendwelche praktischen Auswirkungen?

Matthias Koch: Nein, wir werden uns weiterhin alle acht Wochen online treffen, uns fachlich austauschen und in größeren Abständen Roundtable-Workshops und Konferenzen veranstalten. Alle, bisherigen Netzwerk-Mitglieder können, auch ohne DPRG-Mitgliedschaft, Mitglieder des Arbeitskreises sein. Wir freuen uns aber natürlich auch über personellen Zuwachs, über alle History Communication-Interessierten, die sich aktiv einbringen wollen.


Quick-Info AK History Communication

Der Arbeitskreis wird von Dr. Max Schlenker (H&C Stader), Julia Kneiphoff-Nünnerich (Gira) und Moritz Strobel (Körber) geleitet. Dem Lenkungskreis gehören Prof. Dr. Felix Krebber, Prof. Dr. em. Günter Bentele, Matthias Koch, Dr. Esther Graf und Dr. Ingo Stader an.

Die Gründungskonferenz des AK History Communication findet unter dem Titel „Professionalisierung der Geschichtskommunikation“ am 19./20. September bei Hapag-Lloyd in Hamburg statt.

Verbindendes Thema der Tagung ist die Professionalisierung des Handlungsfeldes Geschichtskommunikation. 21 Online-Meetings des Netzwerks, eine Tagung sowie zwei Roundtables zu Fragen von Wertschöpfung und Qualität – gemeinsam organisiert mit dem Center for History & Corporate Communication der Günter-Thiele-Stiftung – setzten Impulse für die Debatte um professionelle Standards in der Kommunikation der Unternehmensgeschichte. Diese Debatte soll nun da weitergeführt werden, wo sie hingehört: im Berufsverband professioneller Kommunikation. Die Überführung des CHC-Netzwerks in einen DPRG-Arbeitskreis ist bereits Teil dieses Professionalisierungsprozesses. 

Die Konferenz findet hybrid statt. Anmeldemöglichkeit gibt es ab Ende August.