Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ...

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ...

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit …

Rückblick auf den Kommunikationskongress 2019

 

Nach RELEVANZ und MUT war das Motto in diesem Jahr ZEIT, dem sich der Kommunikationskongress in Berlin vom 12. bis 13. September 2019 verschrieben hatte. Rund 1.500 Kommunikator*innen lockte der Branchentreff in die Hauptstadt, um sich über Trends und Erfahrungen aus der Praxis auszutauschen.

Auf der Metaebene boten die Keynotes viele Anregungen, gaben Impulse zur Selbstreflexion und Anlass zum Innehalten. Unter anderen Prof. Dr. Rüdiger Safranski, der ganz klassisch im Vorlesungsstil über „Zeit: Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen?“ philosophierte und sehr trefflich zwischen Episode und Erfahrung differenzierte; hochinteressant der Vortrag von Prof. Dr. Maximilian Moser, der aus der Chronobiologie einen ganz nüchternen Blick auf das Wesen Mensch warf und zeigte, wie stark wir trotz aller Technik und Fortschritt von den Rhythmen der Natur bestimmt sind. (Mir kommt dabei die „Antiquiertheit des Menschen“ von Günther Anders in den Sinn). Sehr spannend war der Vortrag des Spiegel-Chefredakteurs Steffen Klusmann über den Fall Relotius und zwar aus drei Gründen: 1. Wie es überhaupt zu so einem Betrugsfall kommen konnte, 2. wie der Spiegel in der Krise agiert und kommuniziert hat und 3. welche Konsequenzen das Verlagshaus aus dieser existenziellen Krise gezogen hat. Besonders letzteres ist aus Sicht eines Firmenhistorikers aufschlussreich, denn es zeigt, wie sehr Krisen auch eine Chance für Erneuerung sind. Unternehmen, die über Generationen bestehen und für bestimmte Werte stehen (wollen), müssen sich immer wieder neu erfinden – so auch der Spiegel.


Branchentreff der Kommunikator*innen mit Keynotes, die Impulse zur Selbstreflexion und zum Innehalten gaben.


Doch schwang vor allem wieder viel Politik mit. Vor zwei Jahren war es die Bundestagswahl, im letzten Jahr das Erstarken der neuen Rechten und in diesem Jahr die Klimadiskussion, die in vielfacher Hinsicht das Motto [keine] Zeit [verlieren] in sich trägt. Kommunikatoren bewegen sich ständig in diesem Spannungsfeld auf Trends und Hypes zu reagieren. Gut gewählt war deshalb die Metaebene, das Thema ZEIT. Denn was Hypes gerade nicht haben ist Zeit – sie sind schnelllebig, oberflächlich und bald vergessen – oder wie Professor Safranski so schön sagte „versendet“. Umso wichtiger ist es bei dieser ganzen Schnelligkeit und Gleichzeitigkeit von Informationen und Reaktionen, Haltung zu wahren, inne zu halten und besonnen zu reagieren. Haltung wahren – ein altmodisches Wort und doch habe ich es häufiger auf dem Kongress gehört. Es ist eben eine Frage der Haltung, wie ich zu bestimmten Ereignissen stehe, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich damit gegen einen Trend stelle oder einfach einmal nicht reagiere und keine Meinung habe. Bemerkenswert fand ich hier den Impulsvortrag von Dr. Andreas Möller (TRUMPF GmbH & Co. KG) „Ein garstig Lied, ein politisch Lied: Warum sich Unternehmen zu politischen Debatten positionieren sollten“.


Haltung wahren – ein altmodisches Wort und doch habe ich es häufiger auf dem Kongress gehört.

Auch dieser Satz fiel häufiger: Wahrheit braucht Zeit – eine Binsenweisheit und doch so elementar bei der ganzen Informationsflut, die täglich über uns hereinbricht. Als Historiker habe ich nochmals einen anderen Blick auf die Dinge und weiß wie entscheidend der Faktor Zeit für viele geschichtliche Ereignisse ist. Zu schnell oder zu langsam – der berühmte Satz „wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ – Doch wann ist es zu spät? Wann sind wir Getriebene, wann Akteure? Für Zeitgenossen im Hier und Jetzt ist es schwer, wenn nicht unmöglich, in komplexen Situationen DIE richtige Entscheidung zu treffen. Am Ende ist es häufig einfach Glück, Interpretation und Deutung kommen erst danach.

Um den Faktor Zeit ging es auch in unserer Expert Session, in der wir zusammen mit unserem Kunden GIRA unter dem Titel „Von wegen verstaubt! Das Firmenarchiv als Content- und Marketingquelle“ die langfristige Bedeutung eines modernen Unternehmensarchivs beleuchtet haben.

Was bleibt also für mich als Quintessenz dieses größten Branchentreffs für Kommunikator*innen im deutschsprachigen Raum? Schnelllebigkeit und Informationsflut beeinflussen seit längerem maßgeblich unseren Arbeitsalltag und beschäftigen uns alle. Sie sollten uns aber nicht zu Getriebenen machen. Überlegtes Handeln, eine klare Position, die nicht heute so und morgen so ist, und ein besonnener Umgang mit Medien erfordern Zeit, die wir uns unbedingt nehmen sollten.

 

 

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